Jane Goodall zum Welt-Friedenstag

Dr. Jane Goodalls Botschaft zum Weltfriedenstag 2015 – und zur Situation der Flüchtlinge

21. September, 2015.  Der Weltfriedenstag bricht an – in einer Welt, in der für so viele Menschen der Gedanke, in Frieden zu leben, unwirklich erscheinen mag, wie ein entfernter Traum.

Wir alle müssen an diesem so besonderen Tag an diejenigen denken und für sie beten, die in Ländern leben, die durch Krieg und Gewalt zerrüttet und zerstört sind, die ihr Zuhause verlassen müssen, die vor unsagbarer Gewalt, Schrecken, Elend und tödlicher Armut fliehen müssen.

Ich empfinde tiefste Dankbarkeit für all jene, die angesichts der Flüchtlingskrise nicht nur die Hände ringen, sondern aktiv helfen. Die die erschöpften, trauernden und verzweifelten Menschen willkommen heißen, die Tür öffnen und ihren so wichtigen Beitrag mit Sach-, Zeit- oder Geldspenden leisten. 

Viele Monate haben wir die Not von Hunderttausenden Flüchtlingen, die nach Europa und in die Nachbarländer strömen, beobachtet. Für die meisten Menschen, die diesen Strom menschlichen Elends auf ihren Fernsehschirmen verfolgten, war das alles schockierend, tragisch – aber unwirklich. Eine Tragödie, zu groß, um sie wirklich zu begreifen.

Doch dann erschien jenes eine Bild, unter tausenden von Bildern, das sich direkt in unsere Herzen eingebrannt hat. Ein kleiner syrischer Bub, 3 Jahre alt, Aylan Kurdi, der gemeinsam mit seinem Bruder und seiner Mutter im Mittelmeer ertrunken ist. Das Foto zeigt, wie der winzige Körper vorsichtig aus dem Wasser getragen wird.

„Humanity washed ashore“ („Menschlichkeit wird angespült”) gemeinsam mit diesem Titel verbreitete sich das Bild wie ein Lauffeuer in den sozialen Medien. Aylan wurde zum Symbol der Flüchtlingskrise, die über Europa hinwegfegt. Plötzlich haben wir eine Verbindung, fast körperlich spürbar, zu der Wirklichkeit dieser Krise. „Angenommen, das wäre unser Kind gewesen?“, dachten sich viele Eltern. 

Es sind die Geschichten einzelner Menschen, die uns direkt im Herzen treffen, uns so helfen, zu verstehen, dass diese Flüchtlinge reale Personen mit Hoffnungen und Ängsten sind. Sie helfen uns dabei, uns vorzustellen, wie es sein muss, solche Verzweiflung, Angst, Hoffnungslosigkeit zu empfinden, dass wir sogar unser Leben und das unserer Kinder riskieren, nur damit wir irgendwo auf dieser Welt Sicherheit finden. Und Frieden.

  

Am heutigen Weltfriedenstag, wenn die Friedensglocke im New Yorker Hauptsitz der UNO läutet, lasst uns alle darüber nachdenken – inne halten und wirklich tief nachdenken, ob wir selbst aktiv etwas tun können, damit sich etwas verändert. Denn wir können eine Lösung dieses großen Problems nicht nur den Politikern alleine überlassen. 

Während viele von uns in der glücklichen Lage sind, in Frieden zu leben, sollten wir diesen Frieden nicht als Selbstverständlichkeit erachten. Wir müssen daran arbeiten, diesen Frieden für unser eigenes Leben, unsere Gemeinschaft und unsere Länder zu erhalten.

An diesem internationalen Weltfriedenstag hoffe ich, dass wir alle uns Zeit nehmen und an die Millionen von Menschen denken, die weder heute in Frieden leben, noch in der Vergangenheit in Frieden leben konnten. Viele verstehen die Not und das Elend der Flüchtlinge sicherlich nur zu gut, weil sie selbst vor Gewalt fliehen mussten. All die anderen, die diese traurige Erfahrung glücklicherweise in ihrem Leben nicht machen mussten – dazu zähle ich auch mich – nehmen wir uns ein bisschen Zeit. Versuchen wir uns in die Lage vieler unser Mitmenschen zu versetzen. Stellen Sie sich vor, es war nicht der kleine Aylan, dessen Schicksal uns so bewegt hat, sondern das Schicksal Ihres eigenen Kindes. Und dann, dann folgen Sie einfach Ihrem Herzen.  

Mit Hoffnung – und in Dankbarkeit für all jene, die bereits helfen

Jane Goodall

Jane Goodall, Ph.D., DBE
Founder, the Jane Goodall Institute &
UN Messenger of Peace

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